Bericht der Indienreise 2024 des Xertifix-Geschäftsführers
Vom 19. bis 26. Oktober 2024 besucht der XertifiX Geschäftsführer Walter Schmidt Sozialprojekte in Indien und begleitet die XertifiX-Auditoren bei Steinbruch- und Verarbeiter-Audits. Am Morgen des ersten Tages fahren Walter Schmidt und Mr. Rajnath mit dem GRAVIS-Mitarbeiter Mr. Vinod zur ersten Schule, der Adarsh Khan Majdoor, Badi, Bada Kotecha.
Diese Schule ist – wie alle Schulen, die die an dem Tag besuchen werden – eine neue Schule, die im Rahmen der Spenden von „Ein Herz für Kinder“ (EHfK) für drei Jahre unterstützt wird. Diese von unserer Partnerorganisation GRAVIS betriebenen Schulen liegen in abgelegenen Dörfern, etwa 70 bis 80 Kilometer vom Bezirkshauptquartier entfernt.

GRAVIS-Mitbegründer und Mitarbeiter Mr. Vinod

Die Erreichbarkeit ist geografisch schwierig, da sie in der Wüstenregion des Bezirks Jodhpur liegen. Es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel. Es ist sehr schwierig, an Trinkwasser zu kommen. So ist unser Auto auf dem Weg zur Schule im Wüstensand stecken geblieben.
Die Reisegruppe wird auf traditionelle Weise begrüßt. Dazu gehören selbst geflochtene Blumenkränze, die traditionelle Kopfbedeckung, sowie eine Kennzeichnung auf der Stirn (Tilak). Hiermit wird dem Gast Ehre erwiesen und ihm Wohlergehen gewünscht.


Anschließend schenken die Kinder den Gästen Bilder, die sie als Vorbereitung des Besuchs gemalt haben, und mit denen sie ihre Dankbarkeit für die Unterstützung zum Ausdruck bringen möchten.
Im Klassensaal zeigen die Kinder den Gästen unter anderem durch Präsentationen an der Tafel, wie der Unterricht in den Fächern Mathematik, Hindi und Englisch abläuft und mit welchen Heften und Büchern sie arbeiten. Dabei antworten die Kinder auch auf Rückfragen der Besucher.


In Gesprächen mit den Schul-Komitees (Village Development Committees, VDC) zeigt sich auch bei diesen Schulen, dass GRAVIS einen guten Job macht: In allen Schulen fühlen sich die lokalen Komitees der Gemeinde für „ihre“ Schule verantwortlich und setzen sich täglich für einen funktionierenden Schulalltag ein. Die Schulen laufen alle noch kein ganzes Schuljahr. Gleichwohl ist es beeindruckend, wie gut die Schulen jeweils schon in den jeweiligen Gemeinden integriert sind.

Herzliche Verabschiedung aus der Gegend um Jodhpur
Am nächsten Tag stehen die Besuche der Sozialprojekte in der Gegend um Daneshwar, Rajasthan an. Die Kinder und Lehrerinnen des Vorschulzentrums Dhaneshwar bereiten den Gästen auf traditionelle Weise einen herzlichen Empfang.



Insgesamt sind 55 Kinder (28 Jungen und 27 Mädchen) im Zentrum anwesend. Es ist besonders erfreulich zu erleben, dass auch zehn Kinder anwesend sind, die die Vorschule bereits abgeschlossen haben und derzeit erfolgreich die staatliche Grundschule besuchen. Das zeigt uns, wie wichtig die Arbeit des Vorschul-Zentrums ist, um Kinder und Familien von der Wichtigkeit von Bildung und Schulbesuch zu überzeugen und Kinder an den Schulbesuch heranzuführen.

Verabschiedung aus der Vorschule in Daneshwar
Die zweite von XertifiX geförderte Vorschule liegt im Dorf Molat, was sehr abgelegen von der Hauptstraße in der Region Dobi inmitten eines Steinabbaugebiets liegt. Die Wohnstätten der örtlichen Gemeinde befinden sich auf freiem Feld/Steppe, so dass es weder Strom noch Wasserversorgung oder Toiletten gibt. Im Rahmen des Sozialprojektes wird das Vorschulzentrum in einem von einem Gemeinde-Mitglied zur Verfügung gestellten Privathaus betrieben.


Trotz der widrigen äußeren Umstände gelingt es, neben den Unterrichtsaktivitäten auch die tägliche Zusatzmahlzeit für die Kinder zuzubereiten. Die Lehrerin namens Frau Ramgani war früher als Steinbrecherin tätig, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie wurde als Lehrerin für das Zentrum ausgewählt und Vorschullehrerin qualifiziert. Sie macht einen großartigen Job und ist sehr beliebt bei den Kindern.
Die Einheimischen begrüßen die Gäste mit Trommeln, was eine der beliebtesten Arten ist, Gäste willkommen zu heißen. Während der Zeit im Klassenzimmer wurde mit den anwesenden Kindern interagiert. Einige von ihnen tanzen und andere rezitieren Gedichte, die sie gelernt haben. Es gibt auch eine kurze Interaktion mit den Kindern der Förderklasse auf Dorf-/Gemeindeebene.


Danach wird ein Treffen auf Gemeindeebene in der Nähe des Vorschulzentrums organisiert, bei dem mit den Müttern und Eltern der Kinder gesprochen wird, um sicherzustellen, dass ihre Kinder regelmäßig im Zentrum sind, ihre Ausbildung von der Grundschule über die Mittelstufe bis zur Oberstufe fortsetzen und auf die Entwicklung ihrer Kinder Rücksicht genommen wird. Die Eltern der Kinder bedanken sich in der Landessprache bei den Spendern EHfK und XertifiX für die wertvolle Unterstützung ihrer Kinder.
Neben den Vorschulen beinhaltet das von EHfK mitfinanzierte Sozialprojekt auch ein Modul „Förderunterricht“, um das Lernniveau der Kinder zu verbessern, die hauptsächlich aus Familien von Arbeitern in der Steinindustrie stammen und die staatliche Grundschule besuchen. Von der 1. bis zur 5. Klasse wurden Kinder mit Lernschwierigkeiten/Schwächen im Studium identifiziert. Der Förderunterricht wird an vier Orten entweder im Gebäude/in den Klassenzimmern einer staatlichen Schule oder auf Gemeindeebene in verfügbaren Räumen angeboten.


Im Laufe des Tages besuchen die Gäste alle vier Einheiten des Förderunterrichts. Außerschulische Aktivitäten, die am Wochenende oder an besonderen Tagen/Anlässen im Förderzentrum stattfinden, wie Tanzen, Singen, Malen und lokale Spiele, stärken das Selbstvertrauen der Kinder. So zeigen die Kinder auch am Tag des Besuchs den Gästen ihre Talente, indem sie zu den lokalen Liedern des Bundesstaates Rajasthan tanzen.
In einzelnen Förderzentren findet auch ein Treffen mit den staatlichen Schullehrern, NGO-Vertretern und den Tutorinnen des Förderunterrichts statt, um Maßnahmen und Probleme des Projekts, sowie Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung zu besprechen. Während eines Treffens sind auch einige Eltern anwesend, die erzählen, dass die Kinder nun ein größeres Interesse an ihrem Schulbesuch zeigen, nachdem sie mit der Förderklasse begonnen haben. Die meisten Kinder gehen jetzt regelmäßig zur Schule und sind gut in ihrem Studium.


An den folgenden Tagen stehen Steinbruch-Audits und Audits bei Naturstein-Verarbeitern an. In diesem Jahr zieht sich die Regenzeit bis weit in den Oktober hinein, so dass die meisten bei XertifiX registrierten Steinbrüche in Rajasthan noch nicht wieder in Betrieb sind. Unser Auditor Mr. Rajnath hat es dennoch geschafft, bei den wenigen bereits aktiven Steinbrüchen ein angekündigtes Audit zu organisieren. Bei einem Steinbruch-Audit fällt auf, wie vorbildlich die Arbeiter:innen bei der Arbeit durch persönliche Schutzausrüstung geschützt sind.
Es wird vom Auditor dennoch noch einmal darauf hingewiesen, warum dies so wichtig ist, und dass dies zum eigenen Schutz der Arbeiter:innen ist (und nicht für den Arbeitgeber oder XertifiX). Dabei ist auch die persönliche Ansprache der Arbeiter:innen ein wichtiger Bestandteil bei der Durchführung eines Audits: Neben den Einzel-Interviews mit den Arbeiter:innen gibt es ein Abschluss-Training mit den Arbeitenden, bei dem auf alle wichtigen Aspekte des Arbeitsschutzes hingewiesen wird.


Die Arbeitenden erhalten die XertifiX-Flyer mit den Anforderungen und tauschen sich mit den Auditoren intensiv aus. Diese Form des Trainings geht über die eigentlichen Audits hinaus, ist aber zentraler Bestandteil des Ansatzes von XertifiX, um schrittweise Erfolge beim Arbeits- und Umweltschutz zu erzielen.
Am nächsten Tag führen unsere Auditoren Audits bei Natursteinverarbeitern durch. Besonders bei der Buchhaltung müssen die Auditoren Verbesserungsbedarf anmelden. In Budhpura werden die Pflastersteine und Natursteinplatten auf einem abgeschlossenen Gelände produziert. Nachdem wir das Audit abgeschlossen haben, fahren wir mit dem Auto durch die angrenzende Siedlung. Eigentlich sollte diese Gegend eine kinderarbeitsfreie Zone sein, die durch ein von XertifiX unabhängiges Sozialprojekt einer lokalen NGO gewährleistet wird. Aber bei Stichproben am Straßenrand stellen wir fest, dass noch immer Kinder in dieser Gegend in der Pflastersteinproduktion arbeiten.

Daher sind wir froh, dass wir durch regelmäßige auch unangekündigte Kontrollen zumindest in den Betrieben, die bei XertifiX registriert sind, in den letzten Jahren keine Kinderarbeit mehr feststellen konnten.
Am letzten Tag werden die Sozialprojekte unseres Partners Vikas Santhan in der Gegend von Firozabad besucht. In den Slums dort leben Familien unterhalb der Armutsgrenze und lassen ihre Kinder in der Produktion von Glas-Armreifen für den indischen Markt arbeiten, um als Familie überleben zu können.

Die Armut der Familien wird besonders deutlich, als wir die Familien in ihren Häusern besuchen. In einem einzigen Raum leben zum Teil Großfamilien und müssen dort kochen, wohnen, arbeiten und schlafen.


Es ist wirtschaftlich äußerst schwierig, dass die Kinder von jetzt auf gleich mit der Arbeit aufhören, da die – wenn auch kleinen – Einkünfte der Kinder das Überleben der Familien mit gewährleisten. Aus dem Grund arbeiten die Mitarbeitenden von Vikas Santhan in vielen Gesprächen mit den Familien darauf hin, dass die Kinder einen Teil des Tages in die Schule gehen können, und – falls unbedingt nötig – am restlichen Tag weiterhin arbeiten. Dies ist ein Kompromiss! Dennoch ermöglicht es, dass die Kinder Schulbildung erhalten und hoffentlich bei ihnen irgendwann der Teufelskreis der Armut, in dem sich die Familien in den Slums befinden, schrittweise durchbrochen wird.


Für die Reise gilt unser großer Dank unseren Partnerorganisationen GRAVIS, SARC und Vikas Santhan, die die Sozialprojekte so hervorragend vorgestellt haben, sowie unseren beiden Auditoren Mr. Susai und Mr. Rajnath, in besonderem Maße letzterem, der die Reise für XertifiX geplant und organisiert hat.
Dr. Walter Schmidt
Hannover, 04.11.2024